Eine wahre Weihnachtsgeschichte

Der König

Heiligabend – es ist sehr kalt. Ich stehe staunend vor den bunten Lichtern eines Weihnachtsbaumes. Grosse Freude kommt in mir auf. Ich sage mir: Endlich erlebe ich die schönsten Weihnachten meines Lebens! Ja, ich bin gut! Lässig drehe ich mich und zeige den Menschen meinen neuen teuren Ledermantel.

Bewundernde Blicke treffen mich. Ah, jetzt fühle ich mich wie ein König! Ja, ja, das Volk ist ja so bettelarm. Ich stolziere hoch erhobenen Hauptes die teure Einkaufsstrasse weiter entlang... Immer wieder bewundernde Blicke. Ich bleibe stehen und atme die kalte Winterluft ein.

Herrlich! Mein Konto auf der Bank ist voll. Die Menschen, die nichts haben, sind ja selber schuld. Mir hingegen geht es ja sehr, sehr gut. Oh, jetzt möchte ich einen Kaffe trinken! Natürlich die edelste Sorte! So gehe ich wie gewohnt in mein Hotel „Drei Könige“.


Die Verurteilung

Da sehe ich eine zerlumpte Gestalt auf einer öffentlichen Bank. Und dann noch mit einer Weinflasche in der Hand! Soll ich das der Polizei melden?

Ich gehe etwas näher auf die Gestalt zu. Mein Gott, das ist ja eine Frau – und so jung! Die ist sicher selber schuld an ihrem traurigen Schicksal. Nun gehe ich meinen Kaffe trinken. Der liebe Gott wird es schon richten.

Ich bin immer brav gewesen. So etwas könnte mir nie passieren.


Das Schicksal

Wie aus dem Nichts habe ich furchtbare Schmerzen in meiner Brust. Oh mein Gott, diese Schmerzen! Kommt mir denn niemand zur Hilfe? Mein Herz! Hilfe! Hilfe! Ich falle ins Nichts! Es wird mir schwarz vor Augen.


Die innere Umkehr

Ich sehe überhaupt nichts mehr. Wo bin ich? Nein, lieber Gott, ich möchte noch nicht sterben! Wo bin ich jetzt? Vielleicht schon im Himmel? Da glitzert doch etwas! Ist das ein Stern? Oh, noch mehr Sterne! Ah, ist das schön! Und das an Weihnachten! Danke, lieber Gott!


In Gottes Händen

Jetzt höre ich aufgeregte Stimmen: „Bitte, bleiben Sie liegen!“, sagt jemand sehr aufgeregt. „Der Rettungswagen kommt gleich!“ Ein Mann ruft: „Hat der aber Glück gehabt, der ist auf der Strasse zusammengebrochen und wurde beinahe von einem Tram überrollt! Mein Gott, hat der aber Glück gehabt! Wenn die junge Frau nicht gewesen wäre…“


Gottes Liebe

Ich spüre kalte Hände, die meinen Körper wärmen wollen. Eine junge Frau sagt zu mir: „Das sind die schönsten Weihnachten, die ich je erleben durfte. Gott hat mir Kraft gegeben von meiner kalten Bank aufzustehen, um Sie zu retten.“ Jetzt fühle ich, wie mein Herz warm wird und es wieder richtig zu schlagen beginnt.


In Gottes Seele geboren

Ich öffne meine Augen und sehe eine junge, zerlumpte Frau. Sie ist so bleich und abgemagert. Oh mein Gott! Ich umarme dieses arme Geschöpf und fange an zu weinen.


Neue Wege ins Licht

An diesem denkwürdigen Weihnachtsabend beschloss ich, alles was ich besass, für Gottes Werke einzusetzen. Mein Herz wurde frei. Ich wollte nicht mehr König dieser Welt sein.

An einem Sommertag wollte ich meinen Schutzengel besuchen. Doch die Bank, wo ich ihn einst verlassen und verloren fand, war leer. Ich suchte weiter und fragte die Menschen, ob sie die Frau auf der Bank kennen würden, doch niemand wusste etwas.

Ich setzte mich auf die gleiche Bank, wo einst die zerlumpte Gestalt sass, und las eine Tageszeitung. Darin stand: „Junge, obdachlose Frau rettet ein Kleinkind vor dem Ertrinken“. Da begriff ich, dass diese zerlumpte Frau ein von Gott geschenkter Engel war.


Liebe Leserinnen und Leser,

ich wünsche euch allen frohe Weihnachten und Gottes Segen!
©Mario Ferrario

Weihnachtssterne in der Kaffeestube

Sie trägt eine schwarze Bluse, die sich straff über ihre prallen Brüste spannt. Ihr Rock schliesst sich wie eine Knospe um ihre Oberschenkel. Sie bringt ihre beiden Kinder mit, die Tochter trägt ein weisses Plüschtier. Der Sohn spielt mit einem Tablet.
Sie hatte in Schweden einen Massagesalon und sich in der Schweiz als Shiatsu-Therapeutin selbstständig gemacht.
Als wir ein Lied für sie singen, entspannt sie sich, beginnt zu strahlen, als hielte sie ein Neugeborenes in ihren Armen. Allen singen wir, Menschen aus Afrika, Asien, Europa, Muslime, Christen und Orthodoxe: Happy birthday to you!

Es sei schlimm, sagt die über neunzigjährige Frau, dass die Kinder alle Tablets hätten.
Was denn schlimm daran sei, frage ich.
"Dass ich das alles nicht mehr verstehe! Ich kann im Bus kein Billett mehr lösen", sagt sie und lacht wie ein Mädchen, lacht wie von dorther, von wo aus unser Leben durchaus auch als Komödie, als Spiel gesehen wird. "Und jetzt, wo sie beim Bahnhof umbauen, weiss ich nicht mehr, wo ich den Bus nehmen muss." Und sie lacht wieder. "Dann gehe ich halt zu Fuss."

Die Frau im Rollstuhl, Tetraplegikerin, die Krippenfiguren herstellt, mit deren Verkauf sie schon viel Geld für die Strassenkinder in Rio gesammelt hat, macht mir ein Zeichen, ich solle mich um die beiden Knaben kümmern, die in ein Tablet stierten. Es fällt mir leicht, die beiden zu überzeugen, mit mir Tischfussball zu spielen. Die Mutter des einen Kindes kommt hinzu. Sie ist aus Syrien geflüchtet, hat eine lange Odyssee hinter sich und viel Gewalt erlebt. Doch jetzt, nach einem Tor, klatschen wir unsere Hände ab, und für einen Augenblick ist es so, als könnten wir mit unserer kindlichen Freude alle Dramen vom Tisch wischen."

Ich setze mich einem Mann gegenüber, der schweigt, nur nickt oder den Kopf schüttelt.
"Möchten Sie noch ein Stück Kuchen?", frage ich. Er schüttelt den Kopf.
Ich denke, er möchte in Ruhe gelassen werden, bin gedanklich schon aufgestanden, um mich zu anderen Menschen zu gesellen, da schaue ich ihm nochmals in die Augen, entdecke die rötlichen Streifen, die sich über die Nasenflügel bis zu den Wangen ziehen, da erzählt er, er sei seit Tagen erkältet, erzählt wie eine verrostete Maschine, die nur langsam wieder anspringt und Worte, die sie zuvor am Fliessband produziert hat, erst wieder formen muss. Im Regen stehen. Alleine. Wie manche Baumaschinen, die er früher einmal bedient hatte. Wir sprechen über Musik, über den Akkordeonisten, der die letzten Jahre an Weihnachten gespielt hatte und die ihm viel besser gefallen hat, als das moderne Synthesizer-Zeugs, das wir dieses Jahr hören. Dann möchte er noch einen Kaffee.

Eine ältere Dame kommt mit ihrem "Lebensretter", einem Flüchtling aus Iran. Sie ist an einer Busstation gestürzt und er der einzige, der sich um sie gekümmert, sie mit einem Taxi ins Kantonsspital gebracht hat. Sie erzählt von ihrer behinderten Schwester, die in einem Heim lebt und langsam erblindet. Es sei eine geheimnisvolle Krankheit, deren Namen sie vergessen habe. Es sei schlimm, und noch viel schlimmer für jemanden, der behindert sei. Wenn noch ein Stück Schokoladenkuchen übrig bleibe, solle ich ihr ein Stück mitbringen.

"Dieses Gedicht ist für Sie", sage ich und lese eines von Jiménez vor: Lauf‘ nicht, geh‘ langsam: Du musst nur auf dich zugehn! Geh‘ langsam, lauf‘ nicht, denn das Kind deines Ich, das ewig neugeborene, kann dir nicht folgen. Sie, die ihr Lächeln nach jahrelangen Depressionen und verschiedenen medikamentösen Umstellungen verloren hatte, zog ihre Mundwinkel hoch zu einem kurzen Strahlen wie eine dünne Mondsichel am schwarzen Himmel.

Als ich mich zu einer Frau setze, die einmal in unserer Kaffeestube gesungen hat, dieses Jahr aber nur still am Tisch gesessen ist, sprudelt es aus ihr hervor: Es sei verrückt, ein verrücktes Jahr sei es gewesen. Ihre Schwester sei gestorben und sie habe doch ihrem Beistand sagen müssen, dass sie die einzige Erbin sei. Nein, an der Beerdigung sei sie nicht gewesen, sie würde sich auf einem Bahnhof wie Basel auch gar nicht mehr zurechtfinden. Sie habe mit ihrer besten Freundin ein Fondue gegessen. Und die andere, ich wisse schon, wen sie meine, die melde sich nicht mehr, sie sei wohl einige Monate in der Klinik gewesen, aber jetzt wieder draussen, jetzt könnte sie sich doch wieder melden.
"Wann begreift sie endlich, dass es ihr nicht besser geht, wenn sie mich nicht mag?"

Ich helfe der alten Frau in den Mantel, streiche die Falten glatt als ob ich das Gewicht von ihren Schultern streifte. "Nächstes Jahr werde ich wahrscheinlich nicht mehr hier sein", sagt sie und öffnet jenen unendlich grossen Raum, in dem unser Gedankenstrom still steht. Ruht. Ruht und trotzdem die Flüchtigkeit unserer Leben umfängt. Wer ist es, der ruht und umfängt?

Weihnachtsgeschichte

Ob er eine gute Weihnachtsgeschichte kenne, fragte ich den Mann, der vor wenigen Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden war. „Natürlich“, sagte er, „eine, die ich selber erlebt habe.“

Weihnachten sei für ihn kein schönes Fest gewesen, denn er habe seine Mutter zweimal verloren. Das erste Mal, als er ins Heim gekommen sei und das zweite Mal, als sie gestorben sei. Er habe jetzt noch zwei Persönlichkeiten in ihm: Jene vom Heim, die sich allein gelassen fühle und sich mit Wutausbrüchen Luft verschaffe, und jene, die es besser machen wolle, zum Beispiel dem eigenen Sohn ein guter Vater sein. Doch die Vergangenheit habe ihn eingeholt, sein Sohn lebe bei seiner Mutter. Er habe ihn schon jahrelang nicht mehr gesehen.

„Aber nun zu meiner Weihnachtsgeschichte: Als ich wegen unbezahlten Bussen ins Gefängnis musste, begegnete ich meinem Bruder, der dort Wärter war. Er informierte meine Geschwister und Halbgeschwister, die mir Karten schrieben und mich besuchten. Und diese Weihnachten feiern wir zusammen.“

notiert von Bernhard Brack, Sozialarbeiter

Kinder in Rio de Janeiro

An Weihnachten in der Kaffeestube erzählte die ältere Frau, die mit fünf Jahren an der Kinderlähmung erkrankte, wie sie trotz ihrer Einschränkungen zu einem Leben gefunden hat, das sie erfüllt.

Sie betrat in Spezialschuhen an Stöcken den Raum. Mit fünf Jahren an Kinderlähmung erkrankt. Aber jetzt, erzählte sie, habe sie die goldene Linie überschritten, sie müsse nicht mehr arbeiten.„Sie strahlen so“, sagte ich.
„Ach, das bin nicht ich, ich bin nur der Spiegel.“
Sie erzählte von ihrer Jugend, wie sie gerne Kindergärtnerin geworden wäre, aber mit den Kindern müsse man rumrennen können, und deshalb sei sie Sekretärin geworden. In London habe sie Englisch gelernt, morgens die Schule besucht, den Nachmittag geschwänzt, sich in den St.James Park gelegt und in den Himmel geschaut.
Dann ein Bild gesehen von Kindern in den Slums von Rio de Janeiro. Das Bild habe sie nicht mehr losgelassen und sie habe ein Projekt aufgebaut. Sie habe kleine Schäfchen genäht, über tausend Stück, und sie für neun Franken verkauft.
„Das ist – rechnen Sie selber aus – und das Geld habe ich den Schwestern in Rio de Janeiro geschickt. Als ich den Faden nicht mehr sah, begann ich Babyfinken zu stricken, mit einem speziellen Gerät. Jetzt habe ich schon über dreissig gestrickt und verkaufe sie für fünfzehn Franken das Pärchen – rechnen Sie selber aus.“
Sie hielt einen Augenblick inne, schaute mich strahlend an und sagte: „In Rio de Janeiro sind meine Kinder, verstehen Sie?“

Ein schöner Tag

In der Kaffeestube an Weihnachten stand eine Frau auf und sang ihr Lieblingslied: "Ein schöner Tag ward uns beschert, wie es nicht viele gibt, von reiner Freude ausgefüllt, von Sorgen ungetrübt."

Sie stand auf und sang das Lied mit einer zittrigen Stimme, die sich an den hohen Tönen brach, stand auf und sang, obwohl manche Blick sich fremdschämend von ihr abwandten. Nachdem sie das Lied beendet hatte, setzte sie sich, streckte beide  Fäuste zum Triumph in die Höhe und sagte: Ja! Später erzählte sie mir, dass ihre Schwester ihr das Lied beigebracht habe. "Du hast eine schöne Stimme, übe du dieses Lied", habe sie gesagt.Die Frau stockte eine Weile, bevor sie weiter erzählte: "Als ob sie es gespürt hätte ...""Was hat sie gespürt, ihre Schwester?""Sie hat zu mir gesagt, du hast eine so schöne Stimme, übe du dieses Lied. Zwei Wochen später entdeckte man einen Leichnam, der auf dem Rhein trieb. Es war meine Schwester... Und ich habe nicht einmal gewusst, dass es ihr schlecht ging."
 

Die alte Dame mit dem purpurroten Jupe

Jahrelang spielt die alte Dame jeweils Klavier bei der gemeinsamen Weihnachtsfeier. Sie ist dankbar, dass sie spielen darf. Wenn sie bis dann noch leben wird...

Die alte Dame steigt langsam die Treppe hoch.Sie trägt eine graue, gehäkelte Mütze, eine warme Winterjacke, Winterstiefel und einen schönen, purpurroten Jupe. Sie strahlt freundlich und fragt erwartungsvoll: „Darf ich an der Weihnachtsfeier im Offenen Haus wieder Klavier spielen?“„Selbstverständlich, gerne!“ erwidere ich. Sie setzt sich. Die Tasche behält sie in der Hand. „Das hätte ich nicht gedacht, - dass ich auch dieses Jahr wieder hier sein darf! Ich bin so dankbar. Jetzt bin ich im„Neunundachtzigsten“! Wir sprechen miteinander über den ungefähren Ablauf der Feier und über die Weihnachtslieder, die sie spielen wird. Sie hat ein breites Repertoire. „Ich gebe ihnen meine Natel-Nummer, - falls Sie mir bis zu Weihnachten noch etwas sagen möchten“, meint sie. „Anrufe kann ich empfangen, aber jemandem telefonieren mit dem Natel, - das habe ich nie begriffen. Das macht mich ganz nervös.“ Als wir uns verabschieden und ich „Auf Wiedersehen, bis an Weihnachten“ sage, erwidert sie mit einem schalkhaften Lächeln: „Ja sehr gerne, wenn ich bis dann noch lebe.“

28.11.12
Brigitta Holenstein, Kath. Sozialdienst Ost

Weihnachtsstube

Kurz vor dem Abschied erzählt die alte Frau eine berührende Geschichte.

Sie wolle jetzt gehen so lange es noch hell sei, sagte die alte Frau. Vor drei Monaten sei sie überfallen worden und habe seither Angst, alleine im Dunkeln nach Hause zu gehen.
Ich half ihr in den Mantel. Durch den unteren Türspalt blies kalte Luft in die Kaffeestube. In unseren Rücken Stimmengemurmel und heller Kerzenschein.
Aber eine Geschichte wolle sie mir noch erzählen. Ihr Bruder sei wegen eines Schlaganfalls in der Klinik gewesen. Es habe ihm gar nicht gefallen zu viert in einem Zimmer, viele Ärzte und Pflegende, aber niemand, der sich um einen kümmere. An einem solchen Ort wolle er nicht sterben. Er sei in ein Pflegeheim verlegt worden. Dort habe er mit dem Rollator zu gehen versucht und geübt und geübt, bis er wieder nach Hause habe gehen können. Ein halbes Jahr lang sei es gut gegangen, dann habe er einen zweiten Schlaganfall erlitten. Er habe nicht mehr sprechen können und deshalb zum Abschied gewunken.
Ich hielt ihr langes Schweigen nicht aus und fragte: „Und ist gestorben?“
„Und ist gestorben“, antwortete sie.
Die alte Frau zog den Reissverschluss ihres Mantels hoch, während ich mir nochmals überlegte, was die Frau neben dem Musiker und der ältere Mann am hinteren Tisch bestellt hatten.
„Der behinderte Sohn meines Bruders“, fuhr sie fort, „berührte immer wieder seine Hände. Er konnte nicht begreifen, dass sie kalt waren. Und nach der Kremation, als wir ihm sagten, sein Papa sei da drin, streichelte er noch lange die Urne.“
Ich öffnete die Türe. Die Klinke fühlte sich ähnlich kühl an wie eine Urne. „Auf Wiedersehen“, rief ich der alten Frau nach, „und tausend Dank für ihre Geschichte.“
Ich schaute ihr nach, wie sie ins Dämmerlicht auf den Platz trat und vorsichtig Schritt für Schritt über das feuchte Kopfsteinpflaster ging. Wer weiss, ob sie die nächste Weihnachten wieder dabei sein wird.

Bernhard Brack

Weihnachtsgeschichte

Im Erzählcafé, das jeden zweiten Dienstag im Kirchgemeindehaus St. Mangen stattfindet, erzählt eine alte Frau eine der schönsten Weihnachtsgeschichten.

Vor dem Dom findet jeweils ein Adventssingen statt. Ich liebe es, mit anderen Menschen bei flackerndem Kerzenschein zu singen. Einmal geschah etwas ganz Wunderbares: Ein Mann trat vor und sagte, er müsse uns eine Geschichte erzählen. Es wurde mucksmäuschenstill.
Er sei in einem Heim aufgewachsen und die Regeln seien sehr streng gewesen. Schon beim kleinsten Vergehen sei man bestraft, bei festlichen Anlässen ins Bett geschickt worden.
"Mir geschah das an Weihnachten. Ich lag im Bett und hörte, wie die anderen sangen. An diesem Tag gab es eine Mandarine für jedes Kind, eine Mandarine, eine Köstlichkeit. Ich weinte, schluchzte tief in mein Kissen hinein, als ich plötzlich spürte, wie jemand etwas Weiches in meine Hand legte. Ich drehte mich um und schaute in die Augen eines Heimkameraden.
Wir haben für dich gesammelt, sagte er. Jeder hat einen Mandarinenschnitz gegeben."

Erinnerungen einer alten Frau

Es steht ein Lichtlein Stern

Ein 37-jähriger Mann macht sich Gedanken zur Weihnachtszeit.

Es steht ein Lichtlein Stern,
mal nah, mal ganz fern.

Es ist ein Wund'r geschehen,
all Kindlein haben's gesehen.

Es ist in uns all'n die Liebe,
sie wächst und gedeiht Triebe.

Des Menschen grösstes Gut,
s'ist des Lebens Mut.

Hand in Hand das Leben,
dem nächsten zu vergeben.

Die Kinder hoch soll'n leben.
nicht's wichtiger es kann geben.

Friede, Friede, kein Krieg so toll,
doch sicher ist dieses Mass bald voll.

Warum nur ein einz'ger Tag im ganzen Jahr,
Zeit für Liebe ist doch immer, nicht wahr?

Zu den Kindern sei immer ganz ganz nett,
es macht sie glücklich, froh sie geh'n ins Bett.

Die Bösen werden alle mal bestraft,
dafür sorgt der Liebe Kraft.

Alle Menschen haben das Recht zu essen,
ganz klar, das ist nicht mehr als angemessen.

Wie kann den Menschen Geld bloss glücklich machen,
es gibt doch so viele andere schöne Sachen.

Aus Liebe für den ganzen Morgen,
der Vater nimmt alle Sorgen.

Lieb dein Kind, stets du sollst es loben,
bedenk, es kommt vom Himmel ganz weit oben.

Die Macht es ist zu lieben,
dies ist der Himmel sieben.

Nach oben, zu allen Seiten,
Kinder, unser sind die Gezeiten.

Auch in kalten, nassen Tagen,
der Hergott lässt nie verzagen.

Er hat euch nah und fern,
immer gern und gern.

Für euch mit diesem Gedicht,
ich wünsch' es werde Licht.

Es ist nie zu spät zu lieben,
auch nicht um fünf nach sieben.

Der Liebe Saat du erbst,
es wird getrost all Herbst.

Die beste Waffe, es ist dein Herz,
lässt vergehn all jeden Schmerz.

Der letzte meiner Reim'
dir sagt wir gehen heim.

O.L., 2010

Alle Jahre wieder

Wie er Weihnachten feiere und ob er schon Pläne für dieses Jahr habe, frage ich den Mann ohne festen Wohnsitz, der zu einer Beratung in den Sozialdienst gekommen ist. Seine Antwort stimmt nachdenklich.

„Weihnachten? Wissen Sie, das ist immer dieselbe Story - alle Jahre wieder! Ich bin seit zehn Jahren auf der Strasse, immer dasselbe, und an Weihnachten werde ich dann schon nachdenklich, das ist ja auch die Zeit der Besinnung. Aber diese Tage gehen auch vorbei: Die Leute fassen gute Vorsätze und vergessen sie bald wieder -  ja gut, ich habe immerhin aufgehört zu saufen.

Oft war ich mit fremden Leuten zusammen, die ich irgendwo kennengelernt hatte. Einmal feierte ich Heiligabend bei der Heilsarmee: Zuerst besuchte ich die Christmette und nachher diskutierte ich mit fremden Leuten bei Kaffee und Kuchen über die Bibel. Das war schon eine feierliche Stimmung, die Leute wurden ganz nachdenklich. Manchmal konnte ich über die Festtage bei einem Pfarrer wohnen und als Gegenleistung hielt ich das Kirchgelände sauber. In München hat mich der Pfarrer zu einer Weihnachtsfeier im Kirchensaal eingeladen. Überhaupt half Pfarrer W. den Obdachlosen immer irgendwie, manchmal sogar mit Spendengeldern. Und als ich dann von München weg ging, fuhr er mich in seinem Wagen zur Autobahn. Auch im Kloster St. Ottilien konnte ich einmal übernachten, da habe ich auch dafür gearbeitet…

Aber dieses Jahr ist es gut, da kann ich über die Festtage bei einer Frau wohnen. Ich kaufe Lebensmittel ein und dann essen wir zusammen. Aber bei ‚Grosser Gott wir loben dich’ kann ich nicht mitsingen, das geht nicht, da kommen mir die Tränen.“

Was ist eine ehrfurchtsvolle Haltung ?

Eine Frau beklagt sich per Mail beim Pfarrer, dass in so vielen Kirchgemeinden nicht mehr auf die tiefere Bedeutung der körperlichen Ausdrucksformen aufmerksam gemacht wird. Daraus enwickelt sich ein interessanter Mail-Wechsel.

Sehr geehrter Herr Pfarrer,
letzten Sonntag habe ich die heilige Messe in der Kirche Neudorf mitgefeiert. Ich gehöre zwar nicht zu Ihrer Pfarrei, doch die orthodoxen Gesänge sprechen mich sehr an. Und ich möchte Ihnen sehr herzlich danken für die besondere Gestaltung des Gottesdienstes.
Doch etwas hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Ich kann es nicht einordnen, dass während der heiligen Wandlung alle Gottesdienstbesucher sitzen bleiben. Ist es der Glaube an die reale Gegenwart Jesu in diesem heiligen Geschehen, welcher bei vielen Gläubigen geschwunden ist? Wie kann ich denn sitzen bleiben, wenn ein so hoher Gast kommt?
Man hört oft, es komme auf die innere Haltung an... das stimmt sicher.
Doch ist es nicht ein wunderbares Zeichen der Ehre und Anerkennung, der Anbetung und Liebe, wenn ich dies mit meiner körperlichen Haltung auszudrücken versuche?
Es ist sehr schade, dass in so vielen Kirchgemeinden nicht mehr aufmerksam gemacht wird auf die tiefere Bedeutung der körperlichen Ausdrucksformen in der Kirche, bei Gottesdiensten. Aber auch auf den Raum der Stille und des Gebetes. Da sind Menschen, die suchen eine ruhige Zeit der Vorbereitung, eine Zeit der Sammlung vor dem Gottesdienst. Doch da wird oft rundherum ausgetauscht (nicht selten laut) über dies und jenes, ohne Rücksicht zu nehmen auf Betende. Da helfen auch keine Tafeln, die zu Stille und Respekt aufrufen. Ich denke, es wären viele Menschen, auch junge, dankbar für ein gelegentliches Aufmerksam machen.
Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören und wünsche Ihnen Gottes reichen Segen für Ihr Wirken.
Mit frohen Grüssen NN

Liebe Frau NN
In der Neudorfkirche haben sich die Leute daran gewöhnt, dass Sie in den Stuhlreihen sitzen bleiben. In den Bänken hinten nehmen jene Leute Platz, die gern zum Evangelium aufstehen und während der Wandlung knien. Die Leute achten einander seit Jahren in grossem Respekt und schreiben einander die Körperhaltung nicht vor. Jene die sitzen bleiben, lieben die Ruhe und Stille. Es gibt da vorne auch Menschen, die nicht mehr lange stehen oder knien können. Sie finden trotzdem Platz in der Kirche, ohne dass ihnen jemand argwöhnt, sie seien zu wenig fromm oder zu wenig ehrerbietig.
Über das Aufstehen und Knien muss ich Ihnen weiter nichts erklären, da Sie diese Formen lieben. Sie stammen aus einer höfischen Kultur der Unterwerfung und des Kniefalls. Auch eine Möglichkeit.
Die vorwiegend älteren Leute, die vorne auf den Stühlen sitzen bleiben, kennen das Auf und Ab von Kindsbeinen an. Denen muss ich nichts erklären.
Aber seien Sie doch bitte dieser Stillehaltung gegenüber tolerant und nehmen Sie sich die Freiheit, das zu tun, was Sie für sich richtig finden. Diese respektvolle Freiheit hat sich im Neudorf seit fünf Jahren eingebürgert. Und ich liebe darum diese Menschen in den sitzenden und stehenden, knieenden Reihen wegen ihrer Offenheit und Toleranz einander gegenüber.
Liebe Grüsse   Lorenz Becker

Sehr geehrter Herr Pfarrer Becker,
ich möchte Ihnen danken für Ihre Antwort, für die Zeit, die Sie sich
dafür genommen haben. Ich muss zugeben, dass ich meine Ansichten auch aus anderer Perspektive betrachten muss. Der Gedanke, dass die Menschen so eher aus der Stille heraus den Gottesdienst mitfeiern können, kann ich gut nachvollziehen. Und ich wollte auch niemals irgendjemanden verletzen. Es waren Gedanken, Empfindungen und Fragen, die mich nach dem Gottesdienst sehr bewegt hatten, und ich mich deshalb an Ihre Pfarrei wendete. Nun wünsche ich Ihnen eine frohe Adventszeit und viel Kraft in Ihrem segensreichen Wirken.
Mit frohem Gruss NN

Diese lieben Advent-Wünsche erwidere ich gern, Frau NN, und habe alle Achtung vor Ihnen und Ihrem raschen Mitdenken.
Was mir nach meiner Antwort noch eingefallen ist: Manche Leute glauben zu Recht, dass Gott durch Jesus Christus im heiligen Brot im Tabernakel schon gegenwärtig ist, wenn sie die Kirche betreten. Manche machen darum eine Kniebeugung und setzen sich still hin. Sie feiern dann in der Eucharistie "das Kommen", das auch "schon immer da" ist und finden es nicht unanständig, wenn sie in dieser sitzenden Haltung beim Evangelium wie beim Einsetzungsbericht des Abendmahles verweilen. Es genügt ihnen, wenn die MinistrantInnen mit den Leuchtern deutlich machen, dass jetzt das Evangelium verkündet wird, bzw mit den Glockenzeichen, dass jetzt die Gegenwart Jesu in Brot und Wein gefeiert wird. Dazu kann man gern die körperliche Haltung wechseln.
Aber bitte, lassen Sie sich nicht durch andere Formen von Ihrer inneren Freiheit abbringen, das für Sie persönlich Richtige zu tun.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft aus den gemeinsamen Feiern mit dem bunten Volk Gottes. Jesus wünschte sich sogar, dass die Krüppel und Lahmen, die Geschundenen und Verachteten, die Alkoholiker und Drögeler und jene, die durch ihre Behinderung ständig Geräusche von sich geben an seiner Feier teilnehmen würden. Leider fühlen sich diese Menschen in unseren (gestylten) Versammlungen (mit gestylten Menschen) offenbar nicht wohl und bleiben fern.
Wären sie nach Jesu Wunsch und Willen auch anwesend, sähe die Geschichte mit der richtigen Körperhaltung noch einmal anders aus! Bald werden solche Mitmenschen wenigstens vereinzelt in verschiedenen Figuren an den Krippen dargestellt werden und in ihrer Behinderung viele Herzen berühren.
Liebe Grüsse Lorenz Becker

Ja, Herr Pfarrer Becker, Ihre Zeilen haben mich sehr bewegt, so möchte ich nochmals kurz antworten. Ich spüre, dass ich mich so ziemlich mit Ihren Ansichten identifiziere. Das heisst, dass Ihre Auslegung betreffend "Haltungsrituale" während der hl. Messe für mich neu ist, doch ein tiefer Sinn spürbar ist.
Ich danke Ihnen. Und was randständige oder ausgegrenzte Menschen angeht, da fühle ich ebenso. Vor Gott sind wir sogenannt "Frommen" vielleicht ärmer dran. Ich hatte auch schon die Möglichkeit, einem Gottesdienst mit Behinderten beizuwohnen. Da waren so viel Ehrfurcht und Hingabe zu spüren, Lebendigkeit und zwischenmenschliche Feinheiten, wie ich es wohl selten erlebt habe. Auch mein Weg war alles andere als geradlinig (geschieden, etc...). Und ich bin zutiefst dankbar, um einen barmherzigen Gott zu wissen. Ich habe auch eine Tochter, die durch ihren jahrelangen Alkoholmissbrauch den Arbeitsplatz, die Wohnung etc. verloren hat und im Moment alle Kräfte aufwendet, um aus dieser Misere herauszufinden.
In der Beziehung zu Gott, im Gebet und in der Eucharistiefeier habe ich eine Quelle gefunden, die mich stärkt und zutiefst froh macht.
Ehrfurcht und Respekt sind mir ein Anliegen. Ich bin aber auch immer bereit, meine Ansichten zu überprüfen und mich nicht daran festzuklammern oder zumindest andere Meinungen zu achten.
Nochmals ganz herzlichen Dank!
Ihnen und Ihrem Team wünsche ich gnadenvolle Adventswochen.
Mit herzlichem Gruss NN

Telefongespräch meinerseits mit Frau NN.
Ich kann Ihnen eintausend Franken weiterreichen, die ich vor Kurzem von jemandem bekommen habe, um in diesem Sinne zu helfen. Sie können Sie als kleinen Beitrag dosiert gegen die Not ihrer Tochter verwenden.

Das darf ich doch nicht annehmen! Jetzt verstehe ich die Welt nicht mehr! NN  


Advent 2010
Lorenz Becker, Pfarrer  
 

Persönlicher Brief

Ich führe die Finanzverwaltung für eine alte Frau, die erst kürzlich ins Heim eingetreten ist. Vorübergehend haben wir die Post an den Sozialdienst umgeleitet.

Endlich wieder einmal ein von Hand geschriebener,  an sie persönlich adressierter Brief.  Mit blauen und roten Streifen umrandet. Air mail, abgestempelt in Phnom Penh. Phnom Penh? Vielleicht von einer Enkelin. Welche Enkelin? Vielleicht von einem bisher unbekannten Verwandten.

Ich bringe ihr den Brief zusammen mit anderer Post ins Pflegeheim. Ich öffne ihn für sie. Ein knapp zehnjähriges Mädchen strahlt uns, auf einem Tisch sitzend, an. Ihr rechtes Bein ist ein Stummel, an den Tisch gelehnt steht eine Prothese.

Ich kann nichts mehr für sie tun, sagt die alte Frau, ausser Beten.

Auch heute noch, zehn Jahre nach dem Krieg, verstümmeln diese barbarischen Waffen allein in Kambodscha jedes Jahr Hunderte von unschuldigen Menschen, überfliege ich einen fettgedruckten Satz des Briefes.

Ich habe Angst vor Weihnachten, sagt die alte Frau. Zum ersten Mal bin ich nicht mehr in meiner Wohnung. Es gebe hier ein gutes Essen, hat die Pflegerin gesagt. Was soll ich mit einem guten Essen, ich schmecke ja gar nichts mehr.

58 Franken kostet eine Prothese, weniger als ein guter Schuh in ihrem Land. Mit 58 Franken können sie einem Menschen in Kambodscha helfen.

Ich wollte, ich wäre nicht mehr, sagt die alte Frau.

Das regelmässige Klacken der Pendeluhr. Ein Vogel fliegt über die verschneiten Dächer der Stadt. Aus dem Rauschen des Verkehrs der Ruf eines Kindes.

Sie müssen ins Büro, sagt die alte Frau, ich habe sie schon viel zu lange aufgehalten.

Bernhard Brack, Sozialarbeiter

Weihnachtsgeschenke für meine Enkel

Folgende Geschichte will einen kurzen Einblick geben in die Alltagswelt von Frau M., einer betagten Frau, die mit dem Einkommen von der AHV- und der EL-Rente lebt. In der Vorweihnachtszeit meldete sich Frau M. beim Kath. Sozialdienst Ost. Der Grund: Frau M. hat die zweite Zahlungserinnerung einer Selbstbehaltsrechnung der Krankenkasse erhalten. Nun droht eine Betreibung der Krankenversicherung, was einen Leistungsaufschub zur Folge hätte.

„Ich bin grad ehrlich. Ich habe den Betrag von Fr. 232.50.— Mitte Dezember von der Krankenkasse erhalten.“
Sie schaut mich verlegen an und fährt fort:
„Ich hätte damit die Rechnung der Ärztekasse bezahlen müssen. Aber eben - so kurz vor Weihnachten …“ 
„Wissen Sie, ich habe sechs Enkelkinder! Mit dem Geld, habe ich Geschenke gekauft. Ich wollte meinen Enkelkindern halt etwas bieten!“
Einen Moment sehe ich in ihren Augen einen Anflug von Stolz aufblitzen. Dann wechselt ihr Gesichtsausdruck und sie erzählt mit leiser Stimme weiter:
„Ich weiss, es war ein Fehler, das Geld für die Geschenke auszugeben …“
Nach einer kurzen Pause erklärt Frau M.:
„Wissen Sie, normalerweise reicht das Geld bis Ende Monat. Nur zum Sparen reicht es nicht. Ich muss gut einteilen. Sobald ich die Renten erhalte, bezahle ich die Rechnungen und mache mir eine Liste mit den teuren Einkäufen, wie zum Beispiel Olivenöl, Kaffee, Bouillon, Haarspray und wenn nötig, Kehrichtsäcke etc.. Danach weiss ich, wie viel ich für Lebensmittel ausgeben darf.“
„Und manchmal, da reicht das Geld sogar noch für eine oder zwei Zeitschriften. Ich habe eben gerne wahre Geschichten, wie zum Beispiel ‚Mein Leben/Das packende Erlebnismagazin‘ oder ‚Meine Wahrheit/Schicksalsreporte‘. Ich lese diese Geschichten gerne, weil sie mich nicht belasten. Viel lieber eine solche Geschichte lesen als einen Krimi schauen im Fernsehen.“  

Brigitta Holenstein, Sozialarbeiterin   

Strassenreinigungskonform

Die Aktion war gut gemeint: Menschen zum Nachdenken und Mitfühlen anregen. Doch wird plötzlich deutlich, dass zwei unterschiedliche Weltverständnisse aufeinanderprallen.
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Mitten in den vorweihnächtlichen Einkaufsrummel eine etwas andere Welt tragen. Eine besinnliche Welt. Eine Welt mit Geschichten, die zum Nachdenken und Mitfühlen anregen.
So stand ich vor einem Einkaufszentrum und verteilte Faltprospekte. Es dauerte nicht lange, da kam ein Mann in orangeleuchtender Weste auf mich zu. Es stellte sich heraus, dass er mit einem Strassenreinigungsfahrzeug die Plätze rundum das Einkaufszentrum säuberte.
„Was für Prospekte verteilen sie da?“, fuhr er mich an.
„Die kann meine Maschine nicht reinnehmen.“
Ich schaute ihn verdutzt an.
„Was glauben Sie denn? Die Leute nehmen den Prospekt mit und werfen ihn dann auf dem Parkplatz wieder weg. Ihre Faltprospekte bleiben zwischen den Drehbesen liegen.“
Ich schaute dem Mann nach, wie er zielgerichtet auf sein Gefährt zusteuerte. Das nächste Mal, dachte ich, bevor wir über irgendwelche Inhalte diskutieren, müssen wir darauf achten, dass der Prospekt strassenreinigungskonform ist.
Kaum hatte ich mich vom Schock erholt, trat eine Frau auf mich zu:
„Sie dürfen hier keine Prospekte verteilen! Ich habe meinen Verkaufsstand gleich hinter ihnen und teures Geld dafür bezahlt.“

Gertrud Hermann, Sozialarbeiterin

Kaffeestube an Weihnachten

Jeder Mensch ist Mit-Autor des einen Buches. Wenn ein Mensch stirbt, wird nicht ein Kapitel aus dem Buch herausgerissen, sondern in eine tiefgründigere Sprache übersetzt. Und jedes einzelne Kapitel muss übersetzt werden. Dies schrieb John Donne im 17. Jahrhundert. Die Bedeutung seiner Worte sind mir an Weihnachten in der Kaffeestube wieder bewusst geworden: Jeder Mensch mit seiner Geschichte, die nicht verloren geht, sondern stets neu übersetzt werden muss.

Auf den gerillten Biberschwanzziegeln des Daches, Eiskristalle
wie winzige Menhire, die jemand über Nacht dorthin gesetzt hat;
im schmalen Sonnenstreifen funkeln sie für wenige Minuten lang.

Ob sie mir eine Karte schreiben dürfe, fragte sie mit leuchtenden Augen aus einem mit Sommersprossen übersäten Gesicht.
„Selbstverständlich“, sagte ich und schrieb meine Adresse in der mir schönst möglichen Schrift, in weiten und gerundeten Bögen.
Seit zwei Jahren wohne sie wieder bei ihren Eltern. Das Wohnheim, in dem sie gelebte habe, sei geschlossen worden.
„Ich habe die Menschen dort richtig lieb gewonnen. Ich wäre vor lauter Trauer am liebsten im Boden versunken, als ich gehen musste.“
Plötzlich spürte ich ihre Trauer.
In den Boden versinken.
Wo es dunkel ist.
Gleichzeitig erahnte ich, welche Bedeutung es für sie haben könnte, jemandem, der das Leuchten in ihren Augen wahrgenommen hat, eine Karte zu schreiben.
„Sie müssen aber Geduld haben“, sagte sie mit mädchenhaftem Lächeln, „bis Sie eine Karte erhalten.“

Auf dem Dachgestänge, welches den Schnee am Rutschen hindert,
ein Eiskristall, das hell funkelt, im Gang er Sonne aber übergangslos
die Grundfarben durchspielt und nach wenigen Minuten verglimmt.

Er habe im Dom Weihwasser geholt und dabei das Plakat mit der offenen Kaffeestube entdeckt. Da sei er schnell reingekommen.
„Seit meine Frau vor sechs Jahren gegangen ist ...“
„Ist sie gestorben?“
„Nein.“
Er lächelte ironisch und fügte hinzu: „Sie wollte sich selbst verwirklichen ... Hätte die Gebenedeite Mutter Maria je ihre Familie verlassen, um sich selbst zu verwirklichen? Wo doch die Verwirklichung im Kind selbst liegt“, empörte er sich.
Inzwischen verstünden sie sich gut, morgen feierten sie Weihnachten gemeinsam mit den Kindern.
Es blieb lange Zeit still. Um die Beklemmung zu durchbrechen, fragte ich ihn, was er denn sonst im Leben mache.
„Ich bin pensioniert.“
„Tatsächlich? Sie sehen aber sehr rüstig aus für einen pensionierten Mann!“
„Wissen Sie, man sieht nur von aussen heran, aber nicht hinein.“
Vor sechs Jahren, ja, es sei Monate nach der Trennung gewesen, habe er sich plötzlich so komisch gefühlt, irgendwie sei ihm übel gewesen. Er habe sich ins Bett gelegt und im Magen einen Klumpen gespürt, als habe er Fondue gegessen und danach kaltes Wasser getrunken. Am nächsten Morgen habe er den Arzt angerufen, der habe ihn von der Arztpraxis direkt in den Notfall bringen lassen. Es sei ein Herzinfarkt gewesen und er habe noch am gleichen Tag einen Bypass erhalten.
„Vor drei Jahren musste ich mich wieder operieren lassen: Raucherbein, eine typische Diabetikerkrankheit. Sie mussten mir eine künstliche Arterie einsetzen. Im Neuen Jahr muss ich wieder in den Spital. Vielleicht müssen sie mir einen Herzschrittmacher einsetzen ... Da rauchst du nicht, da trinkst du nicht, du frisst auch nicht unter dem Haag durch – und jetzt das.“
Die Einsamkeit, nachts, von Glockenschlag zu Glockenschlag, Angst vor dem Klumpen im Magen, Angst, das Bein könnte abfaulen, Angst, das Herz könnte plötzlich stillstehen.Die Strassenlampen löschen, der Schatten des Fensterkreuzes an der Decke ist verschwunden, diffuses Licht bleibt im Sonnenvorhang hängen.
Angst vor dem Verglimmen ohne dass jemand das Licht, das Spektrum des eigenen Lichts, überhaupt wahrgenommen hätte.
„Irgendwann bin ich trotzdem eingeschlafen. Ich weiss nicht, wie lange ich liegen geblieben bin. Was sollte ich, am Weihnachtstag, alleine? Schliesslich bin ich trotzdem aufgestanden, wollte mich mit geweihtem Wasser bekreuzigen – aber das Weihwassergefäss mit der heiligen Mutter Gottes war leer.“

Wenn du nachts durch die Stadt gehst, leuchten sie vom Teer,
die Eiskristalle, als gingest du über einen Sternenhimmel,
dessen Sternenbilder mit jedem Schritt sich verwandeln.

Wegen ihrer fortgeschrittenen Polyarthritis kann sie die Stöcke nicht mehr halten; sie braucht horizontal geführte Unterarmstützen, die sie mit einem Klettverschluss befestigt. Wenn es sehr kalt ist, kann sie ihre Haustüre nicht öffnen, dann muss sie warten ...
„ ... bis ein Gentleman mir die Türe öffnet -
Sagen Sie, bin ich unfreundlich? Kürzlich im Bus hat mich eine angeschnauzt, ich könne sie auch in einem anständigen Ton fragen. Ich stand im Gang zwischen den Sitzreihen und wusste, der Bus fährt gleich ab. Da wandte ich mich an die erstbeste Frau, die ich sitzen sah – mag sein, dass es ein wenig barsch klang, unfreundlich sogar, aber ich hatte doch Angst, ich falle hin, wenn der Bus losfährt, und purzle durch den Gang.“
Vor der Haustüre warten, bis jemand die Türe öffnet, im Bus warten, bis jemand aufsteht, morgens warten, bis die Pflegefachfrau von der Spitex kommt. Immer einen freundlichen Ton finden. Immer stark bleiben im Hilfe erbitten. Immer sich bedanken. Und an Weihnachten in einer Kaffeestube alleine an einem Tisch sitzen.
„Sagen Sie, bin ich unfreundlich?“

Sie überziehen die Ziegel mit hauchdünner weisser Schicht,
die Eiskristalle, an anderen Stellen des Dachs wachsen
sie zu Splittern empor: Welcher Luftströmungen wegen?

Mit leicht vorgebeugtem Oberkörper und einer dicken Glasbrille auf der Nase, die in er Wärme anlief, betrat er die Kaffeestube. Erst jetzt bemerkte ich seinen Rucksack und den Mann hinter ihm, der älter war und zur Begrüssung nur kurz Augenkontakt mit mir aufnahm, um gleich wieder auf den Boden zu schauen.
Ob sie hier übernachten könnten, fragte der Mann mit der Brille in gebrochenem Englisch. Er putzte seine Brille und setzte sie wieder auf.
Wir seien eine Kaffeestube, antwortete ich, aber sie sollten doch hereinkommen, einen Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen.
„Ich komme Ungarn“, erzählte er. „Ungarn schlecht. Ich Automechaniker, verdiene zweihundert bis zweihundertfünfzig Euro im Monat. Wenig, sehr wenig. Ich gespart, nach Portugal gefahren, Arbeit suchen, Spanien, Frankreich, Schweiz, aber keine Arbeit finden. Ich überall zuhause, aber ohne Arbeit?“
Sie hätten nur noch wenig Geld, ein Hotel in St. Gallen sei viel zu teuer. Gestern seien sie in der Weihnachtsmesse gewesen, das sei schön gewesen, sie hätten zwar kein Wort verstanden aber die Lichter und Wärme hätten ihnen wohl getan. Sie seien wohl die einzigen im Dom gewesen, die gespürt hätten, wie warm die anderen Menschen geben. Danach seien sie durch die Stadt geirrt, hätten einen warmen Platz gesucht, ja, wenn sie nur ein bisschen von dem Stroh gehabt hätten, das für die Krippen in den Schaufenstern verwendet wird. Im Bahnhof hätten sie sich auf eine Bank gelegt, seien dann aber von dort wieder vertrieben worden.Der ältere Mann sagte kein Wort, schaute nur auf den Teller, der inzwischen leer war.Sie seien sich unterwegs begegnet, er komme auch aus Ungarn, spreche aber kein Wort Englisch oder Deutsch. Er sei Lastwagenfahrer, suche auch Arbeit.
„Ich überall zuhause. Mutter mag mich nicht, Vater kenne ich nicht. Meine Grossmutter habe ich vor zehn Tagen besucht, und wieder losgereist, über Wien. Jede Haltestelle ausgestiegen, weil Kondukteur mich erwischt. Ich kein Geld für Billett. Und jetzt hier.“
In der Herberge zur Heimat war noch ein Zimmer frei für zwei Personen. Sie bedankten sich herzlich, der ältere Mann mit Kopfnicken, und verabschiedeten sich nach dem zweiten Stück Kuchen. Sie seien müde, sie wollten sich jetzt nur hinlegen und schlafen.

Bei stabiler Hochdrucklage sind die Temperaturen leicht angestiegen,
die Eiskristalle verschwunden, aber zwischen Grasbüscheln liegen sie zusammengeklumpt, Grashalme mit dünner Eisschicht umschliessend

Mit neun sei sie bei einem Wettrennen von der Kletterstange gefallen, sie hätte tot sein können. Stattdessen sei sie im Rollstuhl gelandet, habe alles wieder lernen müssen: aufstehen, sich anziehen, gehen, einfach alles. Die Ärzte hätten ihr ein Jahr vorausgesagt, sie habe es in einem halben geschafft. Mit sechzehn habe sie auf einem Bauernhof gearbeitet, mit Metzgerei und Restaurant. Mit zwanzig habe sie geheiratet. Ihr Mann habe eine kleine Firma gehabt, viel mehr als eine Werkbank sei es nicht gewesen; er habe Teile gedreht für grössere Firmen. Sie habe fünf Kinder grossgezogen, gekocht, gewaschen und ihrem Mann in der Firma geholfen, Lieferscheine geschrieben und später die Büros geputzt. Als dank dafür habe er sich eine andere angelacht. Der Jüngste sei zwanzig gewesen, als sie sich habe scheiden lassen. Mit dem zweiten Mann habe sie nicht viel mehr Glück gehabt. Er sei zwar ein netter gewesen und sie hätten ganz schön was zusammengespart, aber nach drei Jahren Ehe sei ausgekommen, dass er in seinem Herkunftsland bereits eine Familie habe. Vor einem Jahr sei er in sein  Land gereist, als ob er gespürt hätte, dass er bald sterben würde. Er habe einen Herzstillstand gehabt, sei plötzlich tot umgefallen. Ihr gehe es zwar gut, aber eben, mit dem Alter liessen die Kräfte nach und die verschiedenen Operationen seien auch nicht spurlos an ihr vorbeigegangen.  
„Aber Morgen“, sagte sie lächelnd, „morgen bin ich bei meinem jüngsten Sohn eingeladen. Er kocht besser als seine Frau. Ich habe eben bei der Erziehung darauf geachtet, dass sie putzen, waschen und kochen können.“

Jeder Augenblick ist von dem einen Autor des einen Buches.
Wenn der Augenblick vergangen ist, ist er nicht ausgelöscht.
Er setzt über den Strom des Vergehens, indem er neu sich übersetzt.

Bernhard Brack, Sozialarbeiter

Weihnachtszeit - Bettelbriefzeit

Seit drei Jahren führe ich für eine 99-jährigen Frau eine freiwillige Finanzverwaltung. Während unseren Begegnungen tasten wir vielmehr nach Worten, als dass wir Gespräche führen, wir verständigen uns mit Gesten und Berührungen, die sie in ihrer Zwischenwelt noch erreichen.

Wie ist die Geschichte entstanden? - All die Absender von Bettelbriefen, die einem emotional – oft auch mit Bildern – zu erreichen versuchen, die um Mitgefühl, Betroffenheit und Solidarität werben, sich dabei aber des Adressaten gar nicht bewusst sind - diesem Widerspruch möchte ich Luft verschaffen.
Die 99-jährige Frau lebt alleine. Dreimal am Tag kommt eine Gesundheitsschwester von der Spitex vorbei. Ab und zu besucht sie eine Nachbarin. Und ich alle vierzehn Tage, um ihre finanziellen Angelegenheiten zu erledigen.
Sie sitzt am Küchentisch, breitet die Arme wie zum Segen aus, als sie mich unter der Türe stehen sieht. Worte purzeln durch ihr Gehirn, aber sie kann sie nicht mehr fangen und aneinanderreihen zu einem Satz.
Ich setze mich zu ihr. Sie legt meinen Handrücken in ihre linke Hand, legt ihre Rechte darauf, streift darüber, klatscht auf meine Hand, verweilt, streift darüber, klatscht, verweilt.
„Der Mann, der mich besucht“, krächzt sie heiser wie eine Türe, die schon lange nicht mehr geöffnet wurde.
Mit dem Mittelfinger zeichnet sie eine Spirale in die Luft. Vor einem Jahr hätte sie dazu gesagt: „Ich dumme, alte Schachtel.“, inzwischen hat sie die Worte vergessen.
Wir stecken unser Köpfe zusammen, Stirn an Stirn. Die Zeit steht still, wie ein ruhender Weiher, der die Vergänglichkeit spiegelt. Nur das Ticken der Uhr auf dem Küchentisch.
Sie legt ihre rechte Hand auf den Küchentisch, ich meine auf die ihre, sie legt ihre linke drauf, ich die meine – und so bauen wir in unterschiedlichen Rhythmen am Turm unserer Hände.
Draussen gehen Knaben und Mädchen vorbei, werfen sich Schneebälle nach.
Ich stehe auf, hole die Post in der Stube.

Jedes Kind zählt, Kindernothilfe
Hilfe für die Pfarrei St. German Rechthalten FR, Erhaltung von Schweizer Kirchen
Machen Sie mit uns Dampf, dampfbahn furka bergstrecke
100'000 Menschen leben in der Schweiz mit einer Hirnverletzung, fragile suisse
Kein Mädchen darf mehr genital beschnitten werden, unicef
BioVision sagt der Malaria den Kampf an, ist das vermessen?, BioVision
Für die Freunde und Förderer der Weltkinderdörfer der „Schwestern Maria“
Jede zehnte Frau ist betroffen, gemeinsam gegen Brustkrebs, IBCSG
Jugendliche retten eine Wasserleitung im Tessin, Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz
Weil unsere Kraft nicht mehr ausreicht, Wiederaufbau der Kirche San Giuliano
Es braucht wenig, um einem an Lepra erkrankten Menschen zu helfen, evangelische Lepra-Mission
Ein Herz für Tiere, Schweizer Tierschutz
Ich will an Weihnachten zuhause sein, Krebsliga
Zuviele Neuinfektionen an Aids betreffen Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren,
Das Bildungssystem kann eine präventive Rolle spielen, Unesco
Ein neues Zuhause – ein Leben ohne Angst, Missionsbrüder des hl. Franziskus
Wissen ermöglicht Zukunft – auch für die Bauern in Moldawien, Heks
Schenken wir den Kindern ein Weihnachtsfest, Hilfe für Kinder im Nordosten
Brasiliens
Überall auf dieser Welt brechen neue Konflikte auf, Stiftung Welt ohne Minen
Das Kloster Maria Zuflucht in Weesen braucht weiterhin Ihre Hilfe, Erhaltung von Schweizer Kirchen
Weihnachten in unseren Kinderheimen in Fatima und Lissabon, Stiftung Kinderwerk Lissabon
Herbergsuche heute, Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind
Ich wünsche mir, dass mein Mami wieder einmal lacht, Aids-Hilfe Schweiz
Epilepsie und Medikamente, Schweizerische Liga gegen Epilepsie
Viele Cleft-Kinder warten in Bombai auf ein neues Gesicht, Hilfe für Kinder mit
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
Babys das Leben sichern, unicef
Wir bitten Sie um ihren Passiv-Mitgliederbeitrag, Samariterverein
Die umfangreichen Arbeiten für die künftige Bibliothek und das Archiv sind im Gang, Stiftung Pro Kloster St. Johann in Müstair GR
Wir bitten Sie um Hilfe für die Überschwemmungsopfer in Nordkorea, Flüchtlingshilfe der christlichen Ostmission
Als Dienst am Glauben leidgeprüften Menschen beistehen, Kirche in Not, Luzern
Es gibt keine Worte, die Qual, die Angst und das Eldend der Tiere auf ihren
Höllenfahrten zu beschreiben, Fondation Franz Weber
Gefrorene Embryos suchen Wärme, Verein Mamma
Erfüllen Sie Abels Wunsch, in die Schule gehen zu können, Internationales
Katholisches Missionswerk
Bildung wird immer wertvoller, Stiftung pro Stiftschule Einsiedeln
Im Dienste der Armen, Missionare des heiligen Franz von Sales
Wie Laetitia wieder lachen lernte, Leprahilfe Emmaus Schweiz
Kirche in Mund – wegen Asbest geschlossen, Stiftung Pro Conservatione Sacri
Kampf gegen die unmenschliche Vivisektion, Schweizer Liga gegen Vivisektion
Damit sich auch die Bergbevölkerung in der Schweiz auf das kommende Jahr freuen kann, Patenschaft Berggemeinden
Hilfe für die Kirche St. Sebastian in Silgin im Lugnez (GR), Erhaltung von Schweizer Kirchen
Doch die Chorherrengemeinschaft möchte nicht ruhen, da weitere Bauten auf die Rettung warten, Stift St. Michael Beromünster
Sommerzeit: Hochbetrieb bei der Tierambulanz, Tierambulanz-Verein, Hüttikon
Ein riesiges Dankeschön und eine Bitte, Stiftung zur Erhaltung schweizerischen
Kulturgutes
Die Alpen – unberührte Natur?, Schweizerische Vogelwarte Sempach

Ich setze mich wieder zu ihr an den Küchentisch. Sie legt meinen Handrücken in ihre linke Hand, legt ihre Rechte darauf, streift darüber, klatscht auf meine Hand, verweilt, streift darüber, klatscht, verweilt.
Mit dem Mittelfinger zeichnet sie eine Spirale in die Luft. Sie nickt, ich nicke, wir wissen beide, dass sie die Worte vergessen hat. Sie legt ihre rechte Hand auf den Küchentisch, ich meine auf die ihre, sie legt ihre linke drauf, ich die meine – und so bauen wir in unterschiedlichen Rhythmen am Turm unserer Hände.
Wir stecken unser Köpfe zusammen, Stirn an Stirn. Die Zeit steht still, wie ein ruhender Weiher, der die Vergänglichkeit spiegelt. Nur das Ticken der Uhr auf dem Küchentisch. Es ist Zeit für mich zu gehen, im Büro wartet Arbeit. Die 99-jährige Frau lebt alleine. Dreimal am Tag kommt eine Gesundheitsschwester von der Spitex vorbei. Ab und zu besucht sie eine Nachbarin. Und ich alle vierzehn Tage. Aber ihr Briefkasten ist stets voll.

Bernhard Brack, Sozialarbeiter
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