Veränderung

Letztes Jahr habe ich mich dazu entschlossen, mein Leben zu ändern bzw. zu optimieren.
Es hat damit begonnen, dass ich mich dazu entschieden habe, gemeinnützige Arbeit zu leisten, um meine Bussen abzuarbeiten.
Seit dem 20. November arbeite ich in der Geriatrischen Klinik in St Gallen im technischen Dienst und es bereitet mir Freude, dort zu arbeiten. Ich habe mich dazu entschieden, das zu tun, um in meinem Leben eine Veränderung zu erwirken und um herauszufinden, ob ich nach so langer Zeit noch in der Lage bin, über eine längere Zeit einer Tätigkeit nachzugehen. Ich arbeite dort 3 Tage die Woche, die Leute sind zufrieden mit mir.
Ich habe bereits über 130 Stunden abgearbeitet und es gibt nicht mehr viele Stunden, die ich leisten muss. Es läuft sogar so gut, dass sie mich eventuell sogar übernehmen für einen befristeten Zeitraum von einem Jahr, damit ich in der Arbeitswelt wieder richtig Fuß zu fassen kann.
Nebenbei hab ich mich darum bemüht, eine neue Wohnung zu finden, was mir auch gelungen ist, und das alles in so kurzer Zeit.
Ich habe eine sehr schöne und preiswerte Wohnung gefunden und ich freue mich wie ein kleines Kind auf diese Veränderung. Ich habe seit Jahren keine so große Freude mehr verspürt und ich hoffe sehr, dass alles so kommt, wie ich es geplant habe, sodass ich nach dieser langen Depression endlich wieder ein glückliches und zufriedenes Leben führe, für das ich selbst aufkommen kann. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich es in so kurzer Zeit so weit gebracht habe.
Und alles andere, was ich mir vornehme, wird dann auch noch klappen. Ich brauche aber noch ein wenig Hilfe für das eine oder andere und ich bete, dass ich die Hilfe kriege, die ich noch benötige, sodass meine Wünsche und Träume für ein zufriedenes und angenehmes Leben in Erfüllung gehen. Alles, was ich mir wünsche, ist ein normales angenehmes Leben zu führen und vielleicht lerne ich ja später noch jemanden kennen, mit der ich eine schöne Zeit erleben darf.

Isaac Egg

Kampf ums Überleben

Ich bin jetzt seit vier Monaten beim Sozialamt. Ich habe mich auf ein entbehrungsreiches Leben eingestellt, und doch kämpfe ich jeden Monat, dass ich meine Rechnungen einbezahlen kann und noch genug Geld übrig habe, um zu essen. Meistens gibt es dasselbe: Makkaroni an Tomatensauce, die ich auf verschiedene Arten zubereite. Fleisch gibt es nur einmal die Woche.

Da ich schon Kontakt zu noch ärmeren Menschen hatte, weiss ich, dass es mit noch weniger geht und man trotzdem glücklich sein kann. Ich hoffe für alle, denen es ähnlich geht, dass sie nicht den Mut verlieren. Ich bin dankbar, dass wir so ein Sozialsystem haben.

Und ich kämpfe weiter für mich. Ich möchte allen Mut machen, denen es so geht wie mir: Kopf hoch und kämpft fürs Leben! Ich tue es mit Blick nach vorne. Egal, wie schwierig es auch sein mag, immer einen Schritt nach dem anderen, bis zum Ziel. Ich gebe nicht auf und wenn ich falle, so stehe ich wieder auf. Viel Kraft und Mut euch allen!

Michael Gabathuler

Versöhnung

Ein Mann erzählt die wundersame Geschichte einer Versöhnung - ohne Worte.

Der Vater ist Zollbeamter und Waffennarr, sein Sohn ein Kind der Langsamkeit, oft gehänselt wegen seiner „langen Leitung“. Es scheint eine Geschichte unauflöslichen  Missverständnisses zu werden, weil sie keine gemeinsame Ebene finden, der Sohn zwar immer wieder das Gespräch sucht, der Vater aber blockt: Vielleicht, weil ihm die Worte fehlen? Der Vater wird krank, der Sohn träumt, einen Notizzettel von ihm zu erhalten – aber nichts steht drauf.  Der Vater erholt sich nicht mehr von seiner Lungenentzündung und Niereninsuffizienz. Die Angehörigen stehen um sein Sterbebett und wie der Sohn zu ihm spricht, erkennt er seine Stimme, drückt seine Hand, ganz fest.  Der Sohn spürt die Kraft der Versöhnung, die ihn durchströmt- ohne Worte.

anonym

Dreieck Luanda - Lissabon - Luzern

Ich bin 1959 in Malanje, einer Stadt in Angola rund 150 km vom heutigen Kongo entfernt, geboren. Angola war eine portugiesische Kolonie und erhielt 1951 den Status einer Überseeprovinz.

Mein Vater besass verschiedene Einkaufsläden auf dem Land. Er verkaufte Kleider - seine Angestellten nähten auch selbst - , Trockenfisch, Maniokmehl, Werkzeug und anderes.

1961 begannen die Kämpfe um die Befreiung Angolas von der Herrschaft Portugals. Mein Vater erzählte uns, dass er alles verlor. Während ein bis zwei Jahren wüteten die Guerillas besonders schlimm im Land.

Bei einem gewollten Feuer 1964, in dem das Wild eingekesselt und gefangen wurde, erlitt mein Vater, trotz dem Auto, in dem er sich befand, starke Verbrennungen. Nach diesem Ereignis zierten grosse Narben sein Gesicht.

Trotz dem Unfall und des Bürgerkriegs, der noch Jahrzehnte andauern sollte, bewirtschaftete mein Vater in den Jahren danach Plantagen mit Baumwolle und Sonnenblumen. Diese Felder lagen in Quimbungo, einer Ortschaft zwischen Marimba und Chiguita. Ich erinnere mich, dass nebst Stoff auch Öl aus der Baumwollpflanze hergestellt wurde. Gleichzeitig übernahmen mein Vater und seine Angestellten Transporte für das Militär. Durch ihren Einsatz verminderte sich das Risiko für das Militär, von Guerillas überfallen zu werden.

In meinen jungen Jahren wohnte ich mit meinen Geschwistern bei meiner Mutter in der Stadt. Unser Vater, der oft auf dem Land war, besuchte uns etwa zweimal die Woche. Er war sein Leben lang immer geschäftstüchtig. So liess er damals Steine aus dem Grenzfluss zum Kongo für den Hausbau transportieren. Auch ich beteiligte mich daran und zog mit meinen 11 oder 12 Jahren am Lenkrad eines Traktors sitzend die grossen Steine, welche andere Jungs auf den Anhänger luden, aus dem Wasser. Wegen der Nachbarschaft zum Kongo war dies eine gefährliche Arbeit, weil sich die Guerillas jeweils nach ihren Angriffen über den Fluss in den Kongo zurückzogen. Nachts schliefen wir zur Sicherheit in einem Bunker. An diesem Fluss werden übrigens noch heute Diamanten abgebaut.

Trotz der widrigen Umstände konnte ich acht Jahre lang die Schule besuchen. Danach trat ich mit drei Cousins in ein Seminar/Internat in Malanje ein und blieb zwei Jahre.

Mit der Nelkenrevolution 1974 begann die Loslösung Angolas von Portugal. Nach dem Unabhängigkeitskrieg folgte ein langer Bürgerkrieg. Ich habe den Krieg teils miterlebt, habe viele Tote gesehen, darunter auch Kinder. Ich floh mit meiner Schwester und deren Kinder zum Schwager nach Saurimo, einer Stadt, die 400 km westlich von Malanje liegt. Doch auch dort herrschten kriegerische Zustände. Ich erinnere mich, dass mein Vater mich, meine Schwester und seine Enkelkinder abholte. Gemeinsam flüchteten wir mit einem Kleinflugzeug nach Luanda, der Hauptstadt von Angola. Nachher nahm er den gefährlichen Weg nach Süden auf sich, holte seine anderen Familienmitglieder ab und fuhr sie mit einem Lastwagen zu uns in die Stadt.
                
Nach einem Jahr entschieden wir uns nach Portugal auszuwandern, weil die Zustände in Angola verheerend waren. Ich, meine Eltern, meine Geschwister und andere nahe Verwandte, insgesamt 11 Personen, landeten 1975 in Lissabon, einen Monat bevor die Unabhängigkeit (11. November) ausgesprochen wurde. Ich besuchte mit 15 Jahren nochmals während zwei Jahren die Schule. Danach gründete ich mit anderen Jungs eine Band. Es war meine Aufgabe die Band zu managen, weil ich kein Instrument beherrschte. Nach einem erfolgreichen Schreibmaschinenkurs fand ich dann einen Job in einem Hotel.

Mein Vater entschloss sich in dieser Zeit wieder nach Angola zurückzukehren. Er kaufte mir, ich war inzwischen 18 Jahre alt, und meiner Schwester eine Snackbar. Er schaffte es immer wieder Geschäfte zu machen, wahrscheinlich auch mit der Hilfe seines Onkels, der Anwalt gewesen war. Und sobald eine Sache gut lief, überliess er das Geschäft seinen Verwandten, damit diese es weiterführten und wandte sich neuen Ideen und möglichen Geschäften zu.

Diese Snackbar unterhielten wir eineinhalb Jahre. Im hinteren Teil befanden sich noch zwei Zimmer, in denen wir wohnten. Mit 20 musste ich zum Militär an die Küste, gleichzeitig machte ich Prüfungen an einer Schule, lernte die Grundkenntnisse des LKW-Fahrens und liess mich immer wieder auch an der Snackbar blicken. Danach verkauften wir sie und schafften uns mit dem Geld eine Wohnung an, um darin zu leben.

Meine nächste Arbeitsstelle befand sich in einer Fabrik, in der Zink auf giftige Weise produziert wurde. Gleichzeitig war ich als Sicherheitsmann in einem Büro angestellt. Während der Arbeitszeit lernte ich weiter für die LKW-Prüfung. Nachdem ich diese bestanden hatte, arbeitete ich als Chauffeur und Innendekorateur, weil ich handwerklich geschickt war. In einem Geschäft, das für Möbel und Dekos zuständig war, wurde ich angestellt. Ich fuhr die Möbel über weite Strecken und montierte jeweils am Zielort die Teile der Möbel zusammen. Ich kam bis in den Süden von Portugal, wo ich in einem neuen Hotel mit Appartements die Möbel in den Zimmern zusammen setzte. Zuerst war es nur eine Wohnung. Doch den Auftraggebern gefiel meine Arbeit so sehr, dass ich mit meinem Kollegen alle 40 Appartements ausstatten konnte.

Ich war in einer Beziehung mit einer lieben Freundin, die meinen ersten Sohn gebar. Mit 25 Jahren wurde ich so das erste Mal Vater. Trotzdem ging ich eine neue Liasion ein und ein Jahr später kam mein zweiter Sohn zur Welt.

Nach den Möbelmontagen verdiente ich mir unseren Lebensunterhalt mit Fischtransporten von Nordportugal nach Südspanien. Da die Fische möglichst am nächsten Morgen auf dem Markt sein mussten, fuhr ich nonstop und schnell durch die Nacht. Damals gab es noch keine Fahrtenschreiber. Aber ich verdiente ausreichend gut.

Mein Vater zog wieder zu uns nach Portugal und erwarb einen Supermarkt. Meine Schwester reiste in die Schweiz und nahm im Restaurant Gotthard in Luzern eine Stelle an. 1988 entschloss auch ich mich, wieder auszuwandern und reiste meiner Schwester nach. Ich betätigte mich im gleichen Restaurant als Hilfskoch. Aufgrund meiner raschen Auffassungsgabe und meinem Talent lernte ich schnell und gut zu kochen. Dank diesem Erfolg beförderte mich der Chef nach einem Jahr zum Koch. Ich blieb 5 Jahre lang im gleichen Restaurant tätig. In dieser Zeit hatte ich eine erneute Beziehung und meine Tochter erblickte die Welt.

Nach der Stelle in Luzern arbeitete ich in verschiedenen Restaurants als Koch: Stans, Sarnen, Inwil und Hochdorf. Meine Schwester zog derweil nach St. Gallen. Ich folgte ihr und kochte in Mörschwil in einem Restaurant. Auch im San Lorenzo und in den anderen 4 Restaurants vom gleichen Besitzer betätigte ich mich. In Hochdorf lernte ich Pizza machen, so dass ich mich auch Pizzaiolo nennen darf. Das war 1992. Ich hatte vier Kinder zu versorgen, doch hielt ich diesen Arbeitsstress nur ein Jahr lang durch. Danach hatte ich genug.

Meine Freundin, mit der ich meinen zweiten Sohn gezeugt hatte, wohnte eine Zeit lang mit mir in der Schweiz. Diese Beziehung ging nicht gut, und sie zog mit dem Sohn nach London. Dafür kam ich wieder mit meiner ersten Partnerin in Portugal zusammen. Sie schenkte meinem vierten Sohn das Leben und ging mit mir eine Ehe ein, die in der Schweiz vollzogen wurde.

Es folgten Jahre, in denen ich sehr viel arbeitete. Für eine Gross-Metzgerei transportierte ich Fleisch. Im Säntispark war ich in verschiedenen Bereichen in der Reinigung tätig. Ich hatte immer mehrere Jobs zur selben Zeit und schlief sehr wenig. Um zwei Uhr begann ich meine Schicht im Schlachthof und verlud Schweins- und Kalbsköpfe sowie Hälften von Rindern und anderen Tieren. Das war schrecklich.

1992/93 gründete ich mit Kollegen den Africain-Club, in dem Fussball gespielt wurde. Ich hatte grosse Freude, die Kinder zu trainieren und ihnen Tricks beizubringen.

1997/98 ereilte mich ein Burnout, weil ich einfach zuviel arbeitete und nicht auf mich achtete.

Noch während meiner Genesung gründete ich mit anderen zusammen den Multikultiverein. Ich erworb das Patent zur Führung eines Gastgewerbebetriebes und arbeitete nebenbei auch hier wieder als Chauffeur. Mit dieser Tätigkeit und dem Fussballclub fand ich wieder aus dem Burnout heraus.

Ich versuchte es 1999 noch einmal in einer Pizzeria. Doch das klappte nur ein Jahr lang.

Im Jahr 2000 folgte die Scheidung, da ich Schwierigkeiten mit meiner Frau hatte. Ich nahm nochmals für drei Jahre eine Stelle als Chauffeur bei einer grossen Transportfirma in St. Gallen an. Danach konnte mich beim Fahren nicht mehr so gut konzentrieren. So blieb mir noch die Arbeit im Gastgewerbe: Heiden, nachher St. Gallen, Trogen. Ich hatte eine neue Freundin, mit der ich in Trogen wohnte. Ich genoss jeweils die Zeit im Garten, in dem ich Blumen und Gemüse pflanzte.

In dieser Zeit bin ich viel gereist. Ich fuhr mit meinem Fahrrad um alle grossen Seen der Schweiz. Ich unternahm Reisen nach Italien, Spanien, Portugal und Grossbritannien. In London war ich oft, da einer meiner Söhne dort lebt. Ich besuchte Santiago di Compostela, allerdings mit dem Auto.

Ich konnte es nicht lassen und fuhr für eine Transportfirma wieder Lastwagen. Gleichzeitig versuchte ich nochmals mein Glück als Koch. Restaurantbesitzer nutzten meine Flexibilität aus, hielten sich nicht an die Verträge und zahlten keine Arbeitslosenbeiträge ein. Das war im Jahr 2009. Ich hatte danach 6-7 Monate lang keine Arbeit. Bei einem anderen Restaurant war ich einen Monat angestellt. Ein Vertrag wurde mir in dieser Zeit versprochen. Doch als ich nicht mehr gebraucht wurde, bekam ich die Kündigung.

Vor kurzem habe ich aufgehört zu rauchen, und es geht mir gut. Nach 40 Jahren Nikotin bin ich zu einem Nichtraucher geworden. Darauf bin ich sehr stolz. Ich bin in guter körperlicher Verfassung und auf der Suche nach einer Stelle als Koch oder LKW-Fahrer.

Ein grosser Traum von mir ist es, den Pilgerweg nach Santiago di Compostela mit dem Fahrrad zu erleben.

Und was meine Zukunft betrifft, würde ich gerne nach Angola zurückkehren, um im Agro-Tourismus tätig zu sein. Ich möchte die Landwirtschaft und das Gastgewerbe verbinden und Ferien auf einem Bauernhof anbieten. Das wäre eine neue Herausforderung für mich, für die ich mich sehr gut begeistern könnte. Meine Kinder und meine Enkelin möchte ich trotzdem oft besuchen, da sie mir sehr viel bedeuten.

St. Gallen, Januar 2011
Manuel

Vom Keller zur schönen Aussicht

Arbeitslos. So hiess die erste Geschichte von Roger. Er hat nicht aufgegeben und fand wieder eine Arbeit, die ihm Spass macht und ordentlich entlöhnt wird. Lesen Sie, wie es dazu gekommen ist.

Es war anlässlich einer Chorprobe anfangs Mai dieses Jahres. Mein Registerkollege (=er singt in derselben Stimmlage wie ich) sagte zu mir, dass in der Firma, in der seine Lebenspartnerin arbeitet, eine Stelle in der Wareneingangskontrolle frei sei. Falls ich interessiert sei, solle ich mich doch bei ihr melden. Er gab mir ihre Visitenkarte. Am nächsten Tag habe ich ihr mein Bewerbungsdossier gemailt. Einen Tag später rief sie an und fragte mich, wann ich mich bei ihr vorstellen könne. Bereits am nächsten Tag  sass ich in ihrem Büro und beantwortete ihre Fragen. Dann zeigte sie mir meinen zukünftigen Arbeitsplatz: Oh weh! Im Keller, ohne Tageslicht, und erst noch ganz alleine! Ich bin dann nach Hause gefahren und habe mir meine derzeitige Situation durch den Kopf gehen lassen: Ich bin arbeitslos, Ende Juni werde ich ausgesteuert sein, ich habe noch nie in einer Wareneingangskontrolle gearbeitet. Da gab’s eigentlich nicht mehr viel zu überlegen: Lieber einen schlecht bezahlten Job (im Stundenlohn), als ausgesteuert sein. Am 19. Mai habe ich dort angefangen zu arbeiten. Am Anfang war die Arbeit interessant, da sie für mich neu war, aber mit der Zeit war es doch sehr monoton, aber ich hatte wieder einen Verdienst! Nun war ich abermals auf Stellensuche, aber diesmal konnte ich mir Zeit lassen!

In der Zeitung habe ich dann das Inserat meines jetzigen Arbeitgebers gesehen und mich beworben. Ich habe mich dort vorgestellt und am 1. Oktober dort angefangen. Mein Arbeitsplatz befindet sich in einem alten Gebäude mit hohen Räumen und grossen Fenstern mit einer schönen Aussicht, was für ein Unterschied zu vorhin! Endlich wieder eine Arbeit, die Spass macht und auch anständig bezahlt ist!

Roger

Doch es gibt immer einen Weg

Lesen Sie das Dokument einer jungen Frau, die lange alleine gelebt hat und von den Drogen weggekommen ist. Die Verbundenheit zur Natur hat ihr oft geholfen. „Egal, was du glaubst“, sagt sie, „solange du die Bäume rauschen hörst.“

Hallo. Ich bin Nathalie Petitjean und bin 28 Jahre alt. Ich bin Französin, bin aber in St. Gallen geboren und bin immer noch hier, ich hatte aber auch sehr schwere Zeiten, aber zum Glück war ich nie alleine in den schweren Zeiten, sondern meine sehr treuen Begleiter, Dingo und Fox, meine Hunde, waren immer für mich da. Für manche tönt das lächerlich, ist es aber nicht. Und das rate ich allen Menschen, egal, was andere denken, sagen oder machen, das, was ihnen wichtig ist, daran müssen sie festhalten und glauben, darauf müssen sie vertrauen. Ich dachte auch schon, dass es nicht mehr weitergeht, aber es gibt immer einen Weg und eine Lösung für den Kummer. Hilfe kann man sich auch holen, man muss sich aber auch helfen lassen.
Und noch was zum Schluss: Gib nie auf, denke positiv, auch wenn es nur einen Hauch Gutes gibt und glaube an dich. Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.

Nathalie Petitjean

Das Schicksal war sehr hart mit mir

Das Leben kann manchmal rasch eine unerwartete und unglückliche Wendung nehmen. Eine Frau erzählt in der folgenden Geschichte, was ihr widerfahren ist.

Als ich vor 2 1/2 Jahren in die Schweiz nach St. Gallen kam, hatte ich alles. Ich war gesund, glücklich und erfolgreich, doch mein Leben nahm eine Wendung und das Schicksal nahm seinen Lauf.
Im Dezember vergangenen Jahres trennte ich mich von meinem langjährigen Lebensgefährten. Zunächst lief alles reibungslos ab, bis er mich ein wenig später in der Nacht kurz vor Weihnachten erstechen wollte. Ich verstand die Welt nicht mehr und fragte mich, warum er mich so sehr hasste, nach allen Höhen und Tiefen, die wir zusammen bestritten haben und nach allem, was ich für ihn getan habe.
Wir arbeiteten sogar in derselben Einrichtung, was die ganze Sache nicht gerade einfacher machte.
Anfang Januar nahm ich all meinen Mut zusammen und ging wieder zur Arbeit. Dort erwartete mich das, was ich niemals zu träumen gewagt hätte. Meine Chefin hatte allen Mitarbeitern erzählt, was im Dezember passiert war. Ich kam mir so schlecht vor und fühlte mich gedemütigt. Einige Kollegen sprachen mich direkt an, andere redeten hinter meinem Rücken oder trauten sich nicht mich anzusehen. Dann holte sie mich zu einem Gespräch und teilte mir mit, dass sie meine Stelle bereits neu besetzt hatte, da ich krankgeschrieben war. Ich war völlig fassungslos und fühlte mich hintergangen und bekam zudem einige Tage später auch noch meine Kündigung.
Mittlerweile habe ich meine eigene Wohnung und nach unzähligen Bewerbungen die Aussicht auf eine neue Arbeitsstelle in meinem erlernten Beruf.
Der Sozialdienst hat mich bis heute begleitet und unterstützt, und ich möchte nicht darüber nachdenken, wie es mir ohne die Hilfestellung ergangen wäre. Vielen lieben Dank für alles.

anonym

Lebensfreude

Seit über 10 Jahren ist Frau W. im Heroinprogramm, mit dem es ihr möglich ist, ein geregeltes Leben zu führen. Wie ihr Alltag aussieht, beschreibt sie in einigen Sätzen.

Vor vielen Jahren besuchte ich oft die Kontakt- und Anlaufstelle Kaktus in Wil. Dort konnte ich mit meinen Sorgen und Nöten hin, es war immer jemand da, der mir zuhörte. Über den Kaktus konnte ich zudem einige Jahre in einer WG mit anderen Frauen, oder auch gemischt, wohnen. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, einmal ohne Drogen zu leben. Deshalb war ich sehr interessiert, als ich von der Heroinabgabe in St. Gallen hörte. Über die Leute vom Kaktus habe ich dann die Anmeldung gemacht, bin aufgenommen worden und fahre nun schon mehr als 10 Jahre zweimal täglich nach St. Gallen. Die Bahnstrecke kenne ich jetzt in- und auswendig, aber macht ja nichts.
Die Heroinabgabe hat mir geholfen, mein Leben in den Griff zu bekommen und Abstand von der Gasse zu gewinnen. Seit einigen Jahren arbeite ich auch wieder. In geschützten Werkstätten habe ich sinnvolle Beschäftigungen gefunden. Zurzeit arbeite ich in einer Werkstätte auf dem Lande. Das braucht nach der morgendlichen Heroinabgabe nochmals eine Zugfahrt. Da kenne ich bisher noch nicht alles in- und auswendig, macht auch nichts.
Ich bin nach wie vor froh, dass ich am Heroinprogramm teilnehmen kann. Es ist mir so möglich, ein geregeltes Leben zu führen. Erfreulich ist auch, dass ich seit einigen Jahren wieder guten Kontakt mit meiner Familie pflegen kann.
So kann mein Leben gerne weitergehen...

Karin W.

Meine Geschichte

Ein 41-jähriger Mann erzählt, wie er von seiner Drogenabhängigkeit loszukommen versuchte. Ein eindrückliches Dokument.

Vor zirka 1,5 Jahren war ich ziemlich am Ende. Ich bin 41 Jahre alt und davon 21 Jahre heroinabhängig. Nach mehreren Entzügen, Klinikaufenthalten und Therapien sagte ich zu mir, es ist genug. Ich hatte einfach die Schnauze voll. Ich dachte an die Vergangenheit zurück, was ich alles so erlebt habe, von Amoklauf bis zur Beschaffungskriminalität und vieles mehr. Ich dachte, soll ich vor den Zug stehen oder soll ich es nochmals versuchen loszukommen und ein normales Leben zu führen. Ich ging ins MSH2 Methadonabgabe zu meiner Bezugsperson und Ärztin. Ich bekam zuerst mal ein stärkeres Psychopharmaka, das mir sehr geholfen hat und mich vom Selbstmord abhielt, und nachdem ich mich etwas erholt hatte,  ging ich in die Klinik Pfäfers und lernte dort eine Therapieangebot kennen im Tessin, das Camarco. Ich entschloss mich in diese Therapie zu gehen. Ich erkundigte mich und als alles klar war, löste ich meine Zweizimmerwohnung auf. Ich machte den Entzug im Camarco vom Methadon. Nach 1,5 Monaten war ich clean und nach ca. 3 Monaten habe ich die Therapie aus verschiedenen Gründen abgebrochen. Weil es zum Beispiel Ungerechtigkeiten gab und das Konzept nicht eingehalten wurde und ein Haufen konsumiert wurde, ins Büro eingebrochen wurde und verschiedene Diebstähle begangen worden sind und trotzdem nichts Ernsthaftes passiert ist. Anschliessend ging ich vorübergehend zu meiner Mutter für ca. einen Monat. Dann entschloss ich mich weiterzumachen und ging in die Klinik Pfäfers. Da musste ich gehen, weil ich einmal nicht ins Turnen ging. Also wieder zu der Mutter. Ich meldete mich in der Klinik Wil an. Also liess ich mich von der Ärztin einweisen, dann konnte ich nach ein paar Tagen in die Klinik Wil. Dort machte ich wieder den Entzug bis auf 10mg Methadon. Bis dahin vergingen fast 1,5 Jahre. Ich hatte langsam genug von Therapien und Klinikaufenthalten und brach ab. Und wieder zu der Mutter. Nach ca. 2,5 Monaten hatte ich wieder eine Wohnung. Das war ein Stress bis ich wieder eingerichtet war und die Wohnung endlich hatte. Jetzt habe ich mich mit meiner Situation abgefunden, dass ich im MSH2 bin und halt die 40mg Methadon einfach brauche, wie andere Medikamente brauchen. Ich arbeite jetzt auch 50%, nachmittags. Ich werde bald 42 und vielleicht schaffe ich es ja mal. Das ist meine Vergangenheit.

Alfons

Es geschah um Mitternacht

Er habe sich 20 Jahre lang im Kreis gedreht, erzählt der 41-jährige Mann, sei im Kantonsschulpark, in der Gassenküche oder auf der Gasse rumgehängt. Aber jetzt habe er sich entschlossen, einen Entzug im Tessin zu machen. Bevor er gehe, wolle er mir diese Geschichte geben, die er gestern aufgeschrieben habe.

Ich und eine Bekannte retteten einen Mischlingshund aus einer miserablen Haltung. Ich hatte gleich mehr Lebensfreude mit dem Hund. Ich ging wieder viel mehr aus dem Haus und ich erlebte schöne Stunden. Der Hund Sahra ist auch zu neuem Leben erwacht – bis zu jenem Tag, an dem ich vom Unglück verfolgt wurde. Als ich um Mitternacht noch schnell mit dem Hund Gassi ging, verfolgte Sahra einen Fuchs. Der Fuchs hatte Glück und kam vor dem Auto über die Strasse, aber mein neues Glück wurde vom Auto erfasst, der Autofahrer, der meines Hundes Leben hätte retten können, fuhr einfach weiter. Zuerst dachte ich, er habe Glück gehabt, es sei nichts Schlimmes passiert, denn als er zu mir kam, blutete er nicht schlimm, ein bisschen aus dem Maul. Aber als ich heimwärts ging, legte er sich plötzlich auf den Teer. Ich trug Sahra nach Hause. Sie trank ein bisschen Wasser und legte sich im Badezimmer auf den Badewannenteppich. Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte um diese Zeit; gleich am Morgen wollte ich zum Tierarzt gehen. Ich schaute immer wieder nach meiner Liebsten, aber es sollte nicht sein. Sahra starb um ca. sieben Uhr.
Ich konnte mich einfach nicht von ihr trennen und habe sie noch zwei Tage lang behalten, bis mein Kumpel, der auch einen Hund hat, mir sagte, man müsse sie in die Verbrennung bringen. Ich war sehr froh, als er dies übernahm und sie in diesen Container legte. Ich gab die Hoffnung nicht auf und sagte mir, jetzt ist sie im Hundehimmel.

Alfons

Perle im Atlantik

Eine Frau kommt mit der Hoffnung in die Schweiz, endlich das Land gefunden zu haben, wo Milch und Honig fliesst. Sie wird auf den harten Boden der Realität zurückgeholt.

Madeira! Kleine Dörfer, grosse Naturschutzgebiete, Wälder, Wasserfälle, grandiose Aussicht, überall üppiges Grün und Weite - hier sollten Sie wohnen!

In einem dieser kleinen Dörfer wohnt ein Mann mit seiner Frau. Sie bewirtschaften zusammen ein kleines Stück Land. Der Ertrag reicht gerade für sie und ihre zehn Kinder. In den Köpfen der Kinder wachsen Träume von einem anderen Land, von einem reichen Land. Eine der Töchter, volljährig, schon längst ein Mund zu viel am Esstisch, hört von einem Mann, der in der Schweiz in einem Monat so viel Geld verdient wie ihr Vater in einem Jahr. Ein Land, wo Milch und Honig fliesst. Dort will sie wohnen!
Sie reist ihm nach, sie heiratet ihn, sie bekommt ein Kind von ihm. Während sie als Hilfsköchin in einem Altersheim arbeitet, hütet ihre Freundin ihr Kind. Ihr Mann ist Bauarbeiter. Er kommt abends müde nach Hause, streckt vor dem Fernseher die Beine aus und lässt sich bedienen. Er riecht nach Staub und Teer, selten, wenn ihn die anderen Bauarbeiter dazu überredet haben, nach Bier.„Er wollte keine Frau“, erzählt sie, „er wollte jemanden, der für ihn kocht und die Wäsche macht. Wir waren ein explosives Gemisch, er, wenn er von der Arbeit nicht allzu müde war, heissblütig und reizbar, und ich stichelte stets, um mehr Nähe, mehr Geborgenheit zu bekommen.“Nach einigen Jahren kommt es zur Scheidung. Wo soll sie wohnen?
Sie zieht mit ihrem Kind in eine eigene Wohnung. Der Umzug kostet Geld, mehr als sie in einem Monat verdient, mehr als ihr Vater in einem halben Jahr verdient. Rechnungen flattern herein, die sie nicht bezahlen kann. Sie meldet sich beim Sozialdienst.
Wir ordnen gemeinsam die Rechnungen, setzen Prioritäten. Wir stellen ein Budget auf, es ist knapp, aber dank einer Überbrückungshilfe weiss sie, dass sie aus dem finanziellen Loch herauskommen wird. Das andere Loch bleibt: die Sehnsucht nach Nähe, nach Geborgenheit.
Ich frage sie, was ihr grösster Traum sei: Sie wolle Geld sparen und wieder zurück nach Madeira. Dort wolle sie leben.

Bernhard Brack, Sozialarbeiter

Einmal Hölle und Zurück

Angefangen hat alles damit, dass ein alter Kumpel ein paar Tage bei mir gewohnt hat. Mittlerweile war er Heroin-Dealer geworden, um seinen täglichen Konsum zu finanzieren. Als ich eines Tages wiedermal nichts zu „kiffen“ hatte und nicht schlafen konnte, entschloss ich mich, es einmal zu probieren.

Im Nachhinein frage ich mich ständig, wie es soweit kommen konnte, und was ich mir dabei überlegt habe. Ich war immer gegen Heroin und mochte Leute nicht, die süchtig waren. Jetzt weiss ich: auch ich bin nur ein Mensch, und nicht immun gegen Verlockungen des Lebens. Ja, genau, auch ich – der heroinverachtende Nigthstalker weiss jetzt, wie es ist, süchtig zu sein und jeden Tag dem Stoff hinterherzurennen.  
Angefangen hat alles damit, dass ein  alter Kumpel ein paar Tage bei mir gewohnt hat. Mittlerweile war er Heroin-Dealer geworden, um seinen täglichen Konsum zu finanzieren. Als ich eines Tages wiedermal nichts zu „kiffen“  hatte und nicht schlafen konnte, entschloss ich mich, es einmal zu probieren.

Ich schlief wie ein Baby. Fest entschlossen nicht süchtig zu werden, konsumierte ich jeden Abend nur ein bisschen, um schlafen zu können. Doch schon bald kiffte ich nicht mehr, sondern kaufte nur noch jeden Tag Heroin. Endlich war ich nicht mehr kiff-süchtig, dafür war ich nun jeden Tag auf der Gasse und kaufte Heroin.
Ich verlor meine Freundin, meine Freunde und meine Selbstachtung. Ich fing an zu klauen, betteln und bescheissen, nur, um Stoff kaufen zu können. Mein Leben war am Ende. Dann folgten drei Entzüge und später zwei Rückfälle.

Jetzt bin ich clean, doch kiffe wieder. Ich habe mich eineinhalb Jahre im Kreis gedreht und bin jetzt wieder am Anfang. Ich weiss jetzt, dass man nicht  alles mal ausprobieren sollte, und niemand immun gegen Verlockungen ist. Ich habe wieder eine Freundin, die ich liebe und die mir Kraft gibt und mich vor einem erneuten Absturz bewahrt. Ich liebe sie, mein Gras und meinen Hund und möchte nie mehr in diese Hölle zurück.

Ich hoffe, Sie konnten was lernen.

Herzlichst
Ihr Nightstalker
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